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Erinnerungsetüden

Le Thuc Anh Mai, 2023

Erinnerungen sind Vorgänge „der erneuten Präsenzwerdung von Informationen im Bewusstsein durch Abrufen gespeicherter Gedächtnisinhalte“ (Antwerps et. al., o.D.). Sie spiegeln geschehene
Ereignisse, Eindrücke von Personen, Orte und Gefühlen wider. Gleichzeitig sind diese Erinnerungen fragil und leicht manipulierbar. So können zum Beispiel, basierend auf den Erzählungen anderer Menschen, Konstrukte über Menschen geschaffen werden, die einem persönlich völlig fremd sind. Sofern man diese Person nicht persönlich getroffen und/oder kennengelernt hat, lässt man sich von den Eindrücken anderer Menschen unvoreingenommen beeinflussen.
Die Ausstellung „ERINNERUNGSETÜDEN“ setzt sich mit der Erinnerungsthematik auseinander, wobei die Arbeiten von Le Thuc Anh Mai mit ihren persönlichen Erinnerungen an ihre Eltern, Großeltern und das Aufwachsen in Deutschland als Migrantin der zweiten Generation, verwoben werden. Im Raum zeigen sechs verschiedenen Bildschirme Videoarbeiten, die über reduzierte Bildsymbole, eine differenzierte Herangehensweisen der Erinnerungsarbeit. Neben den Videoarbeiten widmet sich auch die bildhauerische Arbeit einer zerbrochene Geige, welche in der Abformwerkstatt der Hochschule entstanden ist, einer vergangenen Erinnerung von Le Thuc Anh Mai. Diese verbrachte die Hälfte ihres Lebens mit dem Geige spielen und war in bis vor einigen Jahren noch in verschiedenen Jugendorchestern tätig. Heute ist die Geige nur noch ein Relikt ihrer Vergangenheit. Die ausgestellte Geige ist komplett aus Beton geformt und wird in der Ausstellung auf einem Tisch angerichtet. Die Komposition ähnelt hierbei einer „typischen Geigenstunde“, wie Le Thuc Anh Mai es in der Vergangenheit ernommen hat.
Im Mittelpunkt der Ausstellung steht eine interaktive Wandmalerei, die von den Besucherinnen fortgeführt wird. In der Wandmalerei, welche von der ormatierung sogenannter Ausmalbilder inspiriert ist, werden kindliche Motive gezeigt, welche mit drei verschiedenen Farben (grün, rot und gelb) ausgefüllt werden können. Nach dem Konzept der ,,ERINNERUNGSETÜDEN“ werden bei dieser interaktiven Arbeit die Besucherinnen dazu eingeladen eigene Etüden (sprich Übungen) auszuführen, die ihr Gedächtnis unterstützen. Vorab wurden für die Ausstellung Flyer verteilt, welche weitere Etüden beinhalteten. Im Format eines weiteren „Ausmalbildes“ und einer Sudoku-Übung wurden die Besucher*innen vorab schon zu einer „Erinnerungsetüde“ eingeladen.

Text von Le Thuc Anh Mai

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Лютий [lyutyy]

Nuria Kyseva & Daniel Gilmut & Mariia Denysenko & Gila Epshtein & Anastasia Khoroshylova & Borys Mysakovych


(EN: lyutyy DE: ljutij)
In der ukrainischen Sprache hat jede Monat einen besonderen Namen, welcher die Natur beschreibt und das natürliche Phänomen der bestimmten Jahreszeit erklärt. Лютий (gesprochen Ljutjj) ist das Wort für Februar auf Ukrainisch. Ljutjj ist der härtste Monat im Winter und kann auf Deutsch übersetzt werden als: schrecklich, streng, hart, gnadenlos. Am 24.02.22 hat der Krieg in der Ukraine ein erweitertes Ausmaß genommen und je länger der Angriff dauert, desto bedeutender wird dieses Datum. So hat sich die Ausstellung um dieses Thema gegründet. Die Ausstellenden
sind von dem Krieg persönlich betroffen – auf unterschiedlichen Ebenen, und möchten ihre Gefühle künstlerisch ausdrücken. Die KünstlerInnen haben unterschiedliche Hintergründe aber alle eine Gemeinsamkeit: der Krieg löst tiefe Emotionen in ihr aus, Geschichten über die Familie,
nostalgische Kindheitserinnerungen aus der Heimat, und vielleicht das Wichtigste: ein Gefühl der Zugehörigkeit. Diese Gefühle sind nicht von Nationalität begrenzt, denn jeder kann sie fühlen egal aus welchem Land man kommt.
Das Logo der Ausstellung besteht aus einem selbstgemachten Symbol der das Wort Lyutyy auf ukrainisch bezeichnet.

Nuria Kyseva
ohne titel / Comicbuch / 2023

Der Comic ist eine Sammlung von Momentaufnahmen. Beim Versuch wegzusehen, versinkt der Blick in die Umgebung. Allerdings kann man nicht zur Ruhe kommen. Zwischendurch schieben sich Momente von Brutalität wie Splitter ins Bewusstsein. Ablenkung suchend in Details, tastet der Bildband nach visueller Begegnung von Zeugenschaft und nach Gefühlen von familiärer Prägung.

Vor dem schlafen gehen / Buch / 2023



Worte können kaum beschreiben, was gerade vor sich geht. Im Gespräch über die Geschehnisse, haben die Künstler*innen zu Beginn Wörter gesammelt, um ihre Eindrücke einzuordnen. Es wurde täglich ein Wort pro Person notiert. Nach kurzer Zeit führte nur noch Nuria Kyseva das gemeinsame Tagebuch weiter. Für die anderen war es nicht möglich dabei zu bleiben und sich täglich mit der Thematik zu konfrontierten. Schweigen ist auch eine Reaktion auf den Krieg.


Performance / dauer: ca.2 min / 2023
Nuria Kyseva zeigt außerdem eine Performance über körperlich Eingeschriebenes. Keine (Fremd-)Sprache bietet einen Fluchtraum. Die Performance beinhaltet Textpassagen auf deutsch, französisch, englisch und russisch.

Gila Epshtein
Kyiv / Acryl auf Leinwand / 120 x 120 cm und sechs je 20 x 20 cm / 2023

Die Arbeit entsteht aus einem großen Leinwand und sechs kleineren Leinwänden, die unterschiedliche Straßen darstellen. Es sind Straßen der Hauptstadt Kyiv, auf das große Bild zeigt von oben abgebildet.
Die Bilder erinnern an ukrainische Stickereien, die traditionell als geometrische Formen in rot auf weißen Stoff gestickt werden. Die Straßen und Gebäude der Bilder werden durch klare Linien und Formen sichtbar und ermöglichen einen Überblick über die „Moskauer Straße“ und
weiterer belebter Orte Kyivs.

blood borsh / Installation Tisch, Teller, Suppe, Farbe, Löffel / 2023

Die Installation besteht aus einem gedeckten Tisch, auf dem ein Teller mit Borsch steht. Dieser ist eingefärbt und erinnert durch das tiefe Rot an flüssiges Blut. Borsch ist eine traditionelle Suppe mit Gemüse, Fleisch und roter Beete, die der Suppe ihre rote Farbe gibt. Die Suppe ist sehr verbreitet in slawischen Ländern und jedes Land hat eine leicht andere Variation. Der Ursprung der Suppe ist umstritten, ob Borsch aus der Ukraine oder Russland kommt, jedoch verweisen die erste Informationen auf das Großreich Kiewer Rus. Die Installation macht die Verwurzelung und das alltäglicher Erfahrbar. Das Gericht selbst ist so stark und tief im slawischen Raum verbreitet, dass verschiedenste Kulturen in der Region dieses Spieße als Teil der eigene Identität ansieht.

„плохо слышно“ (Schlechte Verbindung) / Video mit Sound / Russisch mit deutschen Untertiteln / 03:17 min / 2023

Die Arbeit besteht aus einem Dialog, aus dem russischen Film „Одесский пароход“ (2019). Die Szene wird durch Puppen animiert. Dadurch entsteht eine humorvolle, ironische Atmosphäre, die die Fehlkommunikation darstellt. Ein Mann und eine Frau telefonieren über eine öffentliche Sprechstelle und können einander kaum verstehen. Sie schreien sich gegenseitig an, obwohl sie unwissentlich neben einander stehen. Der Dialog endet als die Frau fragt, wann der Mann nach Hause komme und er antwortet er käme am 24..

Borys Mysakovych
bags / Soundinstallation, Fine Art Print 150 x 100 cm, Kopfhörer, MP3-Player / 9 min. (Loop) / 2023

Zentrum dieser Arbeit bildet eine Fotografie, die das Muster einer karierten Kunststofftragetasche abbildet. Diese Tragetaschen stellen für den Künstler Borys Mysakovych eine wichtige persönliche Metapher dar, denn mit solchen Taschen sind er und seine Familie 2002 nach Deutschland migriert. Das Muster dieser Taschen erinnert an traditionelle ukrainische Stickereien und Wandteppiche, so auch bei der hier abgebildeten Nahaufnahme. Jedoch ist das Muster mit diversen Fehlern und Glitches durchsetzt. Die Bildfehler sind nicht punktuell, sondern zufällig gesetzt. Die Fehler im Muster und die Nähe zu den Stickereien versinnbildlichen die brüchige ukrainische Identität des Künstlers und seine bruchstückhaften Erinnerungen an die Ukraine. Der Klang fügt sich zusammen aus einer Audioabtastung der abgebildeten Fotografie, die mithilfe einer Spezialsoftware ermöglicht wurde und einer Synthesizer-Komposition. Der Sound stellt den Versuch dar, die Erinnerungen an diese bedeutsamen Tragetaschen mit der Fotoarbeit in Verbindung zu setzen und sie zu interpretieren. Dadurch, dass eine Kunststofftragetasche erst fotografisch reproduziert, dann digital verändert, abgetastet und in ein anderes Medium transferiert und die Fotografie daraufhin gedruckt wurde, entsteht eine ironische Wendung, die an bürokratische Aufzeichnungs- und Archivierungsprozesse erinnert.

Anastasia Khoroshylova
Dnipro / Öl und Sprühlack auf Leinwand / 90 x 160 cm / 2023

Mit Destruktion und Wiederaufbau beschäftigt sich Anastasia Khoroshylova auf der Suche nach Identität zwischen Deutschland und der Ukraine. Das Bild stellt die Zerstörung eines Häuserblockes in Dnipro (Ukraine) durch eine russische Rakete dar. Die bunte Fassade wird durch dunklen Rauch überdeckt. Einige Hauseingänge weiter wohnten die Verwandten von Anastasia Khoroshylova. Die Nachricht erreichte ihre Familie am 14.01.2023.

ohne Titel / Skulptur / 110 x 110 x 75 cm / 2023

Zwischen Nachrichten aus dem Krieg, baut man sich täglich selbst auf. Die Skulptur zeigt den inneren Prozess, sich aufzuraffen und neue Kraft zu finden. Einzelne Teile fügen sich zusammen und verschmelzen ineinander. Sie blühen in sich auf, wie das Ausatmen vor Erleichterung. Und doch ist die Skulptur schwer und unvollkommen. Man befindet sich zwischen Unsicherheit und Hoffnung, dass der Krieg eines Tages endet.

Mariia Denysenko
ohne Titel / Installation / Koffer, mixed Media / 2022

Sich selbst nimmt man immer mit. Schon ihre Oma sagte: „от себя не убежишь“ ( „von sich selbst kann man nicht weglaufen“). Heute versteht sie, dass egal wohin man geht, die Heimat im Herzen mitgetragen wird. Ewigkeiten hat Mariia Denysenko die Heimat in der Außenwelt gesucht. Ohne Erfolg. Wie ist man zu dem Menschen geworden, der man jetzt ist? Diese Frage stellt sich Mariia Denysenko und beschäftigt sich mit der Assimilation und dem Wunsch einer Identität mit Einflüssen zweier Nationalitäten. Sie schätzt die gemachten Erfahrung und reflektiert gesellschaftliche Einflüsse. Kann man sich frei entfalten, oder begrenzen unsere Erfahrungen und Erwartung die Selbstverwirklichung? Man strebe so sehr nach dem „wer“, dass man das „wie“ aus den Augen verliere. Als die Ukraine am 24.02.2022 großflächig angegriffen wurde, ging es ihr sehr nah, auch wenn ein Teil sich weiterhin dagegen sträube es zu realisieren. In den zehn Jahren, die Mariia Denysenko schon in Deutschland lebt, hat sie nie auf ihr Leben in der Ukraine zurück blicken wollen. Jetzt kehrt sie an den Anfang zurück, um herauszufinden wer sie eigentlich ist.

Ich wollte nur das Licht… / Öl auf Leinwand / 100x 70 cm / 2023


Zwei Gefühle treffen aufeinander, die schließlich die gesamte Identität infrage stellen. Zum einen schwelgt man gerne in Kindheitserinnerungen, sieht die Sonnenstrahlen, die das Kinderzimmer erleuchteten und riecht Omas frisch gekochte Suppe, als würde sie vor einem stehen. Zu anderen bleibt man in der Realität und kann ihr nicht entfliehen. Man wird mit Tod, Zerstörung und Leid konfrontiert und lernt damit umzugehen. Trotzdem bleibt man machtlos.

Daniel Gilmut
untitled 15 / Stahlstäbe auf Holzgestell / 90 x 200 cm / 2023

Ein Bett ohne Wärme — Die Hoffnung, sich eines Tages auf eine weiche Matratze fallen lassen zu können. Das Bett aus dem Kinderzimmer ist ein persönlicher Gegenstand, auf dem sechs Spieße liegen, die einen „Mangal“ andeuten. Die üblich als Grillwerkzeug benutzten Spieße werden zu Schwertern. Der Wunsch sich fallen zu lassen erlischt.

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Vier Zimmer

Pia Bock, 2023

Wandfüllende Zeichnungen erzählen im Laufe von vier Umzügen von den Erinnerungen an die Zimmer, in denen Pia Bock im Alter von sechs, acht, zwölf und zwanzig Jahren gelebt hat. Der Ausstellungsraum wird zu einem Gemeinschaftsraum, in dem sich verschiedene Zeitstränge überlagern. Es handelt sich um Räume, die sich nicht mehr betreten lassen, weil sie nur noch in der Erinnerung existieren. Auf eine ähnliche Weise existiert auch die Person, dessen Wahrnehmungsperspektive eingenommen wird, nicht mehr. Kindheitserinnerungen sind ein unzuverlässiger Erzähler. Landschaften und Räume können in ihnen eine überproportionale Größe einnehmen und sich verändern oder verblassen. Die Räume, in die Pia Bock über das Medium der Zeichnung erneut eintritt, existieren somit in einem Übergang zwischen Realität und Fiktion und lassen sich nur über die Imagination erreichen. Umso kürzer die Erinnerungen zurückliegen, mit desto mehr Details füllen sich die Zeichnungen der Räume. Objekte wie Möbelstücke, Kuscheltiere oder Wanddekorationen treten hierbei auf wie Charaktere in einer Geschichte, die in verschiedenen Lebensabschnitten auf- und wieder abtauchen oder zu Bezugspunkten für die Rezipierenden werden können. Möglicherweise erkennen wir uns in der Unordnung unter dem Bett oder in einer IKEA-Lampe wieder, wodurch einander fremde Zimmer und Erlebnisse miteinander in Verbindung treten.
In Pia Bocks Beschreibungen der Räume wird die enge Verbindung zwischen Ortserinnerungen und Handlungserinnerungen deutlich. Das gedankliche Durchschreiten eines Ortes ist immer gebunden an die Erlebnisse und Erfahrungen, die man mit ihnen gemacht hat. Die Erinnerung an einen Fleck auf einem Stuhl ruft unweigerlich die Geschichte seiner Entstehung hervor. Sie bieten Aufschluss über die Lebenssituation der Bewohnenden und erzählen somit auch vom Beziehungsgefüge zwischen Familienmitgliedern, Haustieren und Gästen, die Teil eines Ortes geworden sind, an dem man nicht für immer bleiben wollte.

Text von Maria Conrad

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Kleckern statt Klotzen

Amelie Buerhop, 2022

Die Übergänge zwischen dem Intakten und Defekten verschwimmen im intensiven und vertrauten Duft eines Kaffeeflecks. Amelie Buerhop heißt die Dysfunktionalität willkommen und dokumentierte von 2018 bis 2022 Missgeschicke auf Sofortbildfotografien. Meist geschehen die alltäglichen Unfälle in häuslicher Umgebung. Sie bringen niemanden ernsthaft in Gefahr, trotzdem kann sich ein zerbrochener Teller für einen Moment so anfühlen wie eine unüberwindbare Katastrophe. Statt sofort beseitigt zu werden, sammelt sich Verschüttetes, Zerbrochenes und Angebranntes in einem Fotoalbum zu einer angenehm selbstironischen Erinnerung. Doch nicht jedes Unglück lässt sich mit einer Sofortbildkamera festhalten. Die abstrakteren Pannen befinden sich in ungerechten Spielregeln und brüchigen Systemen. Sie zeigen sich in einem manipulierten Schachspiel, bei dem von vornherein klar ist, wer gewinnt und wer verliert, und das von beiden Parteien trotzdem bis zum Ende gespielt wird. An ausgebesserten Löchern und Rissen kommt die Zerbrechlichkeit der Dinge, die uns umgeben zum Vorschein. Selbst wenn eine Reparatur grundsätzlich Veränderungen mit sich bringt, ist sie meist darauf ausgerichtet, den Normalzustand wiederherzustellen und jeden Hinweis auf Verwundbarkeit zu verbergen. Das Verletzliche demonstrativ zu zeigen, stellt sowohl den Normalzustand als auch die Angst vor dem Zerbrechlichen in Frage.
Eine ungeschickte Protagonistin scheint sich durch die Arbeiten der Ausstellung zu bewegen. Mal versucht sie, ihre Missgeschicke ungeschehen zu machen. An anderer Stelle zieht sie mit Siebdruck auf Stoff jeden Fehler auf eine überdimensionale Größe. In einem Prozess zwischen Erneuerung und Zerstörung, Fragilität und Beständigkeit, lässt sie sich auf ein widersprüchliches Spiel ein und verliert. Sie fügt den Scherbenhaufen neu zusammen.

Text von Maria Conrad

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incorporalities of time

Lea Raab, 2022

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Wortlos

Laureen Plumeyer & Lucia Grütling, 2022

„WORTLOS“ kann als das genaue Gegenteil peinlichen Schweigens verstanden werden und beschreibt treffend die intuitive Arbeitsweise der beiden Künstlerinnen Lucia Grüthling (Klasse Thomas Virnich) und Laureen Plumeyer (Klasse Schnitt), der keiner großen Absprache bedarf. Von der Decke schweben 41 Folien versehen mit organischen Formen derselben roten Farbe, die während ihrer Zusammenarbeit in der hochschuleigenen Siebdruckwerkstatt entstanden sind. Auf zwei der drei größeren Folien greifen die Formen, die beim dialogischen Zeichnen entstanden sind, zahnradartig ineinander. Das Auge sehnt sich danach, den Raum zwischen den beiden fleischfarbenen Hälften zu schließen und zu vereinen. Scheinwerferlicht fällt auf die bedruckten Folien und wirft Schatten an die Wand, die mit den Schatten der Ausstellungsbesucher:innen in den Dialog treten. Natürlich gewachsene Körperformen, ergänzt um die von Lucia Grüthling und Laureen Plumeyer erdachten. 

Auch die Arbeiten, die in Eigenregie entstanden sind, gehen formal Hand in Hand: Laureen Plumeyers verformte Glasplatten, die auf Spiegeln platziert und mit Wasserlachen versehen wurden, ähneln in ihrer Formensprache der Kalk-Sandstein-Skulptur von Lucia Grüthling. Es herrscht allerdings nicht nur Gleichklang in der „WORTLOS“-Ausstellung. Besonders reizvoll ist die materielle Differenz. Glänzend glatte Oberflächen und transparente, leicht anmutende Körper in Plumeyers Arbeit bilden ein schönes Gegengewicht zu Grüthlings massiven Stein, der zwar durch ihren Schliff an Rauheit verloren hat, dem sich aber der Kraftakt ansehen lässt, den es brauchte, um ihn in die geschmeidig fließende Form zu bekommen. Nicht zuletzt entsteht Leichtigkeit durch die kleineren, mit amorphen Formen bedruckten Siebdruckfolien, deren Trägermaterial, die Folie selbst verformt worden ist. In Reihe hintereinander gehängt, spielen sie zusammen wie Synchrontänzer:innen. 

Lucia Grütlings und Laureen Plumeyers Kollaboration gelingt „WORTLOS“,  ohne dabei nichtssagend zu sein.

Text von Amelie Buerhop

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Sweet Tea Trio

Henrike Fuhrberg & Lennart Deneke & Marie-Sofie Braune, 2022

Und wo ist die Musik der Sweet Teas geblieben? Wo ist die verdammte Band? Habe ich das Konzert verpasst und bin schon wieder zu spät? Ein Plakat der Band hängt an der Wand, ein Stand mit Shirts und Autogrammkarten ist schon vollends geplündert und Kleidung, die der Band gehören könnte, liegt gebraucht und durchlebt über nicht klar identifizierbaren Metallgerüsten. Auf einem entthronten, auf dem Boden stehenden Röhrenfernseher sprechen Personen über ihre Beziehungen, Begegnungen und Meinungen mit und zu der Band und ihren drei MusikerInnen. In Hass und Abneigung mit der Band Verbundene, WeggefährtInnen aus vergangenen Saufgelagen, HelferInnen oder vermeintliche „Ohne-Mich-wären-sie-nicht-da-wo-sie-jetzt-sind“-Managertypen zeichnen so, in ihren Persönlichkeitsentwürfen selbst schon, im besten Sinne von Pop, überzeichnete Typen, ein Bild von einer schwer greifbaren, weil zwischen vielen Sub- und Pop- Kultur-Codes tanzenden Band, die verschiedenste Gefühle bei FreundInnen, Fans und anderweitig
Verbundenen hervorruft.

Textausschnitt von Moritz Simon

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10.5.2022

Clara Mannott & Carla Sternberg, 2022

Interaktive Ausstellung, weiße Bodenfarbe, offene Fenster und Balkontüren, 6 OH-Projektoren, bedruckte Folien, Keramikkästen, Plexiglashalterung an der Wand, Weide aus dem Weidenhof, geschliffene Glassteine, Vogelsound außen am Fenster angebracht, bedruckte und bemalte Sitzkissen. Die Folie konnte von den Besucher*innen und Teilnehmer*innen ständig ausgetauscht werden. Der Plan war außerdem, die Ausstellung zum Anlass zu nehmen, als Gruppe gemeinsam den Sonnenuntergang zu erleben.

Text von Carla Sternberg

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☐☐☐☐

Sonja Hof & Sophie Gießelmann, 2022

Die Ausstellung ⬜⬜⬜⬜ erforscht den leeren Raum und hinterfragt den Zustand des fertigen.
Ein Raum ist immer abgeschlossen und umschließt. Ohne Gegenstände und Möbel hat er keine Funktion. Er gibt Sicherheit, ohne etwas zu erwarten. Ein leerer Raum ist ein Ideal, das im Alltag kaum zu erfahren ist. Denn wer baut einen Raum ohne Funktion? Die bemalten Tonplatten, die im Raum verteilt ausgestellt wurden, versuchen den leeren Raum einzufangen und erfahrbar zu machen.
Wann ist eine Malerei fertig? Braucht es eine gewisse Anzahl an Pinselstrichen, bis ein Bild beendet ist? Braucht es die perfekte Komposition, die ohne jegliche Fehler umgesetzt wurde? Ist eine fertige Malerei immer auf eine Leinwand gespannt und mit Nägeln an der Wand befestigt? Die einfache Antwort ist „Nein, natürlich nicht!“ Doch was genau ein Kunstwerk fertig wirken lässt, ist nicht so einfach zu beantworten. Die Ausgestellten Malereien versuchen dieser Frage auf den Grund zu gehen. 

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Imprint of pleasure

Kaja Sheila Seltmann, 2021

Die Ausstellung „imprint of pleasure“ und die zwei darin gezeigten Arbeiten „LET’S PLAY“ (2021) und „untitled“ (2021) von Kaja Sheila Seltmann zeigt Spuren etwas Vergangenen auf und macht diese sichtbar.
Bei der Serie „LET’S PLAY“ von 2021 handelt es sich um sechs analoge Langzeitbelichtungen, die nach digitalem Scannen auf Fotopapier gedruckt wurden.
Belichtet wurde der speziell für cinematografische Zwecke entwickelte Film durch das Einfangen sogenannter Let’s Play’s; Videos von Streamern, die online Video-Spiele spielen und diese auf verschiedene Weise präsentieren und kommentieren.
Durch die klare Ausrichtung der Plattformen ihre Zuschauerinnen auf ihrer Webseite halten zu wollen und die Tatsache, dass viele Games auf längere Spiel-Zeiten ausgelegt sind, neigen Nutzerinnen dazu sogenanntes „Binge-Watching“ zu betreiben. Das heißt sie verbringen Stunden damit den Online-Live-Streams zu folgen oder sich die Videos ihrer Lieblings-Streamer*innen in
geschnittener Form nach dem offiziellen Stream anzusehen.
Doch was bleibt nach einer solchen „Session“ an visueller Information im Kopf zurück? Brennen sich einzelne Szenen ein oder ist es eher ein verschwommenes Bild aus Farben und Formen?
-> weitere Assoziationen: Bildschirmschoner
Auch die Arbeit „untitled“, ebenfalls im Jahr 2021 entstanden, beschäftigt sich mit der Suche nach mit dem bloßen Auge nicht erkennbaren Spuren.
Das große Trampolin steht als Ready-Made mittig im Raum. Beim Näherkommen erst bemerkt man die schwarz-glänzenden, handflächengroßen Objekte auf dem Sprungnetz. Sie funktionieren als Fragmente einer Aktion, die jetzt nicht mehr zu sehen ist.
Das Trampolin ist alt. Es wurde viel darauf gehüpft und gelacht und vielleicht auch geweint. Dem Sprungnetz ist das auf den ersten Blick nicht anzusehen. Es sind die kleinen Details, die darauf schließen lassen. Das eingeklemmte Gras an den Füßen des Trampolins, die rostenden Federn. Jedes Material gibt mit der Zeit nach und „erinnert“ sich an starke physische Einwirkungen. Die organisch geformten Keramik-Objekte auf dem Netz symbolisieren diese im Material gespeicherten Spuren der Sprünge.
Kaja Sheila Seltmanns Arbeit ist geprägt von pop- und soziokulturellen Themen. Dabei spielt ihre biografische Geschichte und der dadurch geprägte Blick eine maßgebliche Rolle.
Das Material variiert dabei je nach thematischer Ausrichtung der Arbeit, hauptsächlich arbeitet Seltmann mit Textilien, Videos und Fotografie und bringt diese installativ in den Raum. Raumspezifische Arbeiten mit Bezug auf historische oder aktuelle Hintergründe des Orts sind ein großes Interesse in Seltmanns jüngsten Werken. Die ständige Erweiterung ihrer Themenfelder und des Materialgebrauchs ist dabei Teil ihrer künstlerischen Position.

Text von Kaja Sheila Seltmann