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Vier Zimmer

Pia Bock, 2023

Wandfüllende Zeichnungen erzählen im Laufe von vier Umzügen von den Erinnerungen an die Zimmer, in denen Pia Bock im Alter von sechs, acht, zwölf und zwanzig Jahren gelebt hat. Der Ausstellungsraum wird zu einem Gemeinschaftsraum, in dem sich verschiedene Zeitstränge überlagern. Es handelt sich um Räume, die sich nicht mehr betreten lassen, weil sie nur noch in der Erinnerung existieren. Auf eine ähnliche Weise existiert auch die Person, dessen Wahrnehmungsperspektive eingenommen wird, nicht mehr. Kindheitserinnerungen sind ein unzuverlässiger Erzähler. Landschaften und Räume können in ihnen eine überproportionale Größe einnehmen und sich verändern oder verblassen. Die Räume, in die Pia Bock über das Medium der Zeichnung erneut eintritt, existieren somit in einem Übergang zwischen Realität und Fiktion und lassen sich nur über die Imagination erreichen. Umso kürzer die Erinnerungen zurückliegen, mit desto mehr Details füllen sich die Zeichnungen der Räume. Objekte wie Möbelstücke, Kuscheltiere oder Wanddekorationen treten hierbei auf wie Charaktere in einer Geschichte, die in verschiedenen Lebensabschnitten auf- und wieder abtauchen oder zu Bezugspunkten für die Rezipierenden werden können. Möglicherweise erkennen wir uns in der Unordnung unter dem Bett oder in einer IKEA-Lampe wieder, wodurch einander fremde Zimmer und Erlebnisse miteinander in Verbindung treten.
In Pia Bocks Beschreibungen der Räume wird die enge Verbindung zwischen Ortserinnerungen und Handlungserinnerungen deutlich. Das gedankliche Durchschreiten eines Ortes ist immer gebunden an die Erlebnisse und Erfahrungen, die man mit ihnen gemacht hat. Die Erinnerung an einen Fleck auf einem Stuhl ruft unweigerlich die Geschichte seiner Entstehung hervor. Sie bieten Aufschluss über die Lebenssituation der Bewohnenden und erzählen somit auch vom Beziehungsgefüge zwischen Familienmitgliedern, Haustieren und Gästen, die Teil eines Ortes geworden sind, an dem man nicht für immer bleiben wollte.

Text von Maria Conrad

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Kleckern statt Klotzen

Amelie Buerhop, 2022

Die Übergänge zwischen dem Intakten und Defekten verschwimmen im intensiven und vertrauten Duft eines Kaffeeflecks. Amelie Buerhop heißt die Dysfunktionalität willkommen und dokumentierte von 2018 bis 2022 Missgeschicke auf Sofortbildfotografien. Meist geschehen die alltäglichen Unfälle in häuslicher Umgebung. Sie bringen niemanden ernsthaft in Gefahr, trotzdem kann sich ein zerbrochener Teller für einen Moment so anfühlen wie eine unüberwindbare Katastrophe. Statt sofort beseitigt zu werden, sammelt sich Verschüttetes, Zerbrochenes und Angebranntes in einem Fotoalbum zu einer angenehm selbstironischen Erinnerung. Doch nicht jedes Unglück lässt sich mit einer Sofortbildkamera festhalten. Die abstrakteren Pannen befinden sich in ungerechten Spielregeln und brüchigen Systemen. Sie zeigen sich in einem manipulierten Schachspiel, bei dem von vornherein klar ist, wer gewinnt und wer verliert, und das von beiden Parteien trotzdem bis zum Ende gespielt wird. An ausgebesserten Löchern und Rissen kommt die Zerbrechlichkeit der Dinge, die uns umgeben zum Vorschein. Selbst wenn eine Reparatur grundsätzlich Veränderungen mit sich bringt, ist sie meist darauf ausgerichtet, den Normalzustand wiederherzustellen und jeden Hinweis auf Verwundbarkeit zu verbergen. Das Verletzliche demonstrativ zu zeigen, stellt sowohl den Normalzustand als auch die Angst vor dem Zerbrechlichen in Frage.
Eine ungeschickte Protagonistin scheint sich durch die Arbeiten der Ausstellung zu bewegen. Mal versucht sie, ihre Missgeschicke ungeschehen zu machen. An anderer Stelle zieht sie mit Siebdruck auf Stoff jeden Fehler auf eine überdimensionale Größe. In einem Prozess zwischen Erneuerung und Zerstörung, Fragilität und Beständigkeit, lässt sie sich auf ein widersprüchliches Spiel ein und verliert. Sie fügt den Scherbenhaufen neu zusammen.

Text von Maria Conrad

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incorporalities of time

Lea Raab, 2022

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Wortlos

Laureen Plumeyer & Lucia Grütling, 2022

„WORTLOS“ kann als das genaue Gegenteil peinlichen Schweigens verstanden werden und beschreibt treffend die intuitive Arbeitsweise der beiden Künstlerinnen Lucia Grüthling (Klasse Thomas Virnich) und Laureen Plumeyer (Klasse Schnitt), der keiner großen Absprache bedarf. Von der Decke schweben 41 Folien versehen mit organischen Formen derselben roten Farbe, die während ihrer Zusammenarbeit in der hochschuleigenen Siebdruckwerkstatt entstanden sind. Auf zwei der drei größeren Folien greifen die Formen, die beim dialogischen Zeichnen entstanden sind, zahnradartig ineinander. Das Auge sehnt sich danach, den Raum zwischen den beiden fleischfarbenen Hälften zu schließen und zu vereinen. Scheinwerferlicht fällt auf die bedruckten Folien und wirft Schatten an die Wand, die mit den Schatten der Ausstellungsbesucher:innen in den Dialog treten. Natürlich gewachsene Körperformen, ergänzt um die von Lucia Grüthling und Laureen Plumeyer erdachten. 

Auch die Arbeiten, die in Eigenregie entstanden sind, gehen formal Hand in Hand: Laureen Plumeyers verformte Glasplatten, die auf Spiegeln platziert und mit Wasserlachen versehen wurden, ähneln in ihrer Formensprache der Kalk-Sandstein-Skulptur von Lucia Grüthling. Es herrscht allerdings nicht nur Gleichklang in der „WORTLOS“-Ausstellung. Besonders reizvoll ist die materielle Differenz. Glänzend glatte Oberflächen und transparente, leicht anmutende Körper in Plumeyers Arbeit bilden ein schönes Gegengewicht zu Grüthlings massiven Stein, der zwar durch ihren Schliff an Rauheit verloren hat, dem sich aber der Kraftakt ansehen lässt, den es brauchte, um ihn in die geschmeidig fließende Form zu bekommen. Nicht zuletzt entsteht Leichtigkeit durch die kleineren, mit amorphen Formen bedruckten Siebdruckfolien, deren Trägermaterial, die Folie selbst verformt worden ist. In Reihe hintereinander gehängt, spielen sie zusammen wie Synchrontänzer:innen. 

Lucia Grütlings und Laureen Plumeyers Kollaboration gelingt „WORTLOS“,  ohne dabei nichtssagend zu sein.

Text von Amelie Buerhop

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Sweet Tea Trio

Henrike Fuhrberg & Lennart Deneke & Marie-Sofie Braune, 2022

Und wo ist die Musik der Sweet Teas geblieben? Wo ist die verdammte Band? Habe ich das Konzert verpasst und bin schon wieder zu spät? Ein Plakat der Band hängt an der Wand, ein Stand mit Shirts und Autogrammkarten ist schon vollends geplündert und Kleidung, die der Band gehören könnte, liegt gebraucht und durchlebt über nicht klar identifizierbaren Metallgerüsten. Auf einem entthronten, auf dem Boden stehenden Röhrenfernseher sprechen Personen über ihre Beziehungen, Begegnungen und Meinungen mit und zu der Band und ihren drei MusikerInnen. In Hass und Abneigung mit der Band Verbundene, WeggefährtInnen aus vergangenen Saufgelagen, HelferInnen oder vermeintliche „Ohne-Mich-wären-sie-nicht-da-wo-sie-jetzt-sind“-Managertypen zeichnen so, in ihren Persönlichkeitsentwürfen selbst schon, im besten Sinne von Pop, überzeichnete Typen, ein Bild von einer schwer greifbaren, weil zwischen vielen Sub- und Pop- Kultur-Codes tanzenden Band, die verschiedenste Gefühle bei FreundInnen, Fans und anderweitig
Verbundenen hervorruft.

Textausschnitt von Moritz Simon

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10.5.2022

Clara Mannott & Carla Sternberg, 2022

Interaktive Ausstellung, weiße Bodenfarbe, offene Fenster und Balkontüren, 6 OH-Projektoren, bedruckte Folien, Keramikkästen, Plexiglashalterung an der Wand, Weide aus dem Weidenhof, geschliffene Glassteine, Vogelsound außen am Fenster angebracht, bedruckte und bemalte Sitzkissen. Die Folie konnte von den Besucher*innen und Teilnehmer*innen ständig ausgetauscht werden. Der Plan war außerdem, die Ausstellung zum Anlass zu nehmen, als Gruppe gemeinsam den Sonnenuntergang zu erleben.

Text von Carla Sternberg

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☐☐☐☐

Sonja Hof & Sophie Gießelmann, 2022

Die Ausstellung ⬜⬜⬜⬜ erforscht den leeren Raum und hinterfragt den Zustand des fertigen.
Ein Raum ist immer abgeschlossen und umschließt. Ohne Gegenstände und Möbel hat er keine Funktion. Er gibt Sicherheit, ohne etwas zu erwarten. Ein leerer Raum ist ein Ideal, das im Alltag kaum zu erfahren ist. Denn wer baut einen Raum ohne Funktion? Die bemalten Tonplatten, die im Raum verteilt ausgestellt wurden, versuchen den leeren Raum einzufangen und erfahrbar zu machen.
Wann ist eine Malerei fertig? Braucht es eine gewisse Anzahl an Pinselstrichen, bis ein Bild beendet ist? Braucht es die perfekte Komposition, die ohne jegliche Fehler umgesetzt wurde? Ist eine fertige Malerei immer auf eine Leinwand gespannt und mit Nägeln an der Wand befestigt? Die einfache Antwort ist „Nein, natürlich nicht!“ Doch was genau ein Kunstwerk fertig wirken lässt, ist nicht so einfach zu beantworten. Die Ausgestellten Malereien versuchen dieser Frage auf den Grund zu gehen. 

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Imprint of pleasure

Kaja Sheila Seltmann, 2021

Die Ausstellung „imprint of pleasure“ und die zwei darin gezeigten Arbeiten „LET’S PLAY“ (2021) und „untitled“ (2021) von Kaja Sheila Seltmann zeigt Spuren etwas Vergangenen auf und macht diese sichtbar.
Bei der Serie „LET’S PLAY“ von 2021 handelt es sich um sechs analoge Langzeitbelichtungen, die nach digitalem Scannen auf Fotopapier gedruckt wurden.
Belichtet wurde der speziell für cinematografische Zwecke entwickelte Film durch das Einfangen sogenannter Let’s Play’s; Videos von Streamern, die online Video-Spiele spielen und diese auf verschiedene Weise präsentieren und kommentieren.
Durch die klare Ausrichtung der Plattformen ihre Zuschauerinnen auf ihrer Webseite halten zu wollen und die Tatsache, dass viele Games auf längere Spiel-Zeiten ausgelegt sind, neigen Nutzerinnen dazu sogenanntes „Binge-Watching“ zu betreiben. Das heißt sie verbringen Stunden damit den Online-Live-Streams zu folgen oder sich die Videos ihrer Lieblings-Streamer*innen in
geschnittener Form nach dem offiziellen Stream anzusehen.
Doch was bleibt nach einer solchen „Session“ an visueller Information im Kopf zurück? Brennen sich einzelne Szenen ein oder ist es eher ein verschwommenes Bild aus Farben und Formen?
-> weitere Assoziationen: Bildschirmschoner
Auch die Arbeit „untitled“, ebenfalls im Jahr 2021 entstanden, beschäftigt sich mit der Suche nach mit dem bloßen Auge nicht erkennbaren Spuren.
Das große Trampolin steht als Ready-Made mittig im Raum. Beim Näherkommen erst bemerkt man die schwarz-glänzenden, handflächengroßen Objekte auf dem Sprungnetz. Sie funktionieren als Fragmente einer Aktion, die jetzt nicht mehr zu sehen ist.
Das Trampolin ist alt. Es wurde viel darauf gehüpft und gelacht und vielleicht auch geweint. Dem Sprungnetz ist das auf den ersten Blick nicht anzusehen. Es sind die kleinen Details, die darauf schließen lassen. Das eingeklemmte Gras an den Füßen des Trampolins, die rostenden Federn. Jedes Material gibt mit der Zeit nach und „erinnert“ sich an starke physische Einwirkungen. Die organisch geformten Keramik-Objekte auf dem Netz symbolisieren diese im Material gespeicherten Spuren der Sprünge.
Kaja Sheila Seltmanns Arbeit ist geprägt von pop- und soziokulturellen Themen. Dabei spielt ihre biografische Geschichte und der dadurch geprägte Blick eine maßgebliche Rolle.
Das Material variiert dabei je nach thematischer Ausrichtung der Arbeit, hauptsächlich arbeitet Seltmann mit Textilien, Videos und Fotografie und bringt diese installativ in den Raum. Raumspezifische Arbeiten mit Bezug auf historische oder aktuelle Hintergründe des Orts sind ein großes Interesse in Seltmanns jüngsten Werken. Die ständige Erweiterung ihrer Themenfelder und des Materialgebrauchs ist dabei Teil ihrer künstlerischen Position.

Text von Kaja Sheila Seltmann

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my body left

Marlene Rabe & Juno Falke, 2021

Die Ausstellung „my body left“, befasst sich mit den verschiedenen Existenz-Formen von Körperlichkeit. Wir wollen erörtern, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede das virtuelle Objekt, das Traum-Objekt und wir selbst als Körper und somit Objekt, haben. Am Ende werden wir erkennen, ob sich die Dinge gegenüberstanden, verschmolzen sind, oder ob sie in einer blitzschnellen Wechselwirkung, im unendlichen und ungreifbaren Raum, sich selbst als existierendes Etwas, erkannt haben.

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Kältezone

Patrick Neugebauer & Pia Bock, 2021

„Sie haben es für mich getan. 65 Tage Brutzeit bei -112° Celsius. Zwei Minuten hätte ich ohne sie überleben können, dann wäre ich erfroren. Ich esse ihr Erbrochenes bis ich groß genug bin, um mit ihnen gemeinsam zu jagen. Bis dahin beugen sie sich zu mir hinunter, nehmen meinen Kopf zwischen ihre Schnäbel, speien die Beute in mich hinein. Sie müssen sich so tief bücken, um mir nah zu sein. Hoffentlich erwarten sie nicht, dass ich das selbe für sie tun würde. Wenn sie von der Jagd zurück kommen, suchen sie nach mir und rufen. Ihre Stimmen klingen wie Warnsignale. Sie haben mir beigebracht zu antworten. Manchmal frage ich mich, was passieren würde wenn ich einfach ganz still bleibe.“


Text von Maria Conrad