Pia Bock, 2023
Wandfüllende Zeichnungen erzählen im Laufe von vier Umzügen von den Erinnerungen an die Zimmer, in denen Pia Bock im Alter von sechs, acht, zwölf und zwanzig Jahren gelebt hat. Der Ausstellungsraum wird zu einem Gemeinschaftsraum, in dem sich verschiedene Zeitstränge überlagern. Es handelt sich um Räume, die sich nicht mehr betreten lassen, weil sie nur noch in der Erinnerung existieren. Auf eine ähnliche Weise existiert auch die Person, dessen Wahrnehmungsperspektive eingenommen wird, nicht mehr. Kindheitserinnerungen sind ein unzuverlässiger Erzähler. Landschaften und Räume können in ihnen eine überproportionale Größe einnehmen und sich verändern oder verblassen. Die Räume, in die Pia Bock über das Medium der Zeichnung erneut eintritt, existieren somit in einem Übergang zwischen Realität und Fiktion und lassen sich nur über die Imagination erreichen. Umso kürzer die Erinnerungen zurückliegen, mit desto mehr Details füllen sich die Zeichnungen der Räume. Objekte wie Möbelstücke, Kuscheltiere oder Wanddekorationen treten hierbei auf wie Charaktere in einer Geschichte, die in verschiedenen Lebensabschnitten auf- und wieder abtauchen oder zu Bezugspunkten für die Rezipierenden werden können. Möglicherweise erkennen wir uns in der Unordnung unter dem Bett oder in einer IKEA-Lampe wieder, wodurch einander fremde Zimmer und Erlebnisse miteinander in Verbindung treten.
In Pia Bocks Beschreibungen der Räume wird die enge Verbindung zwischen Ortserinnerungen und Handlungserinnerungen deutlich. Das gedankliche Durchschreiten eines Ortes ist immer gebunden an die Erlebnisse und Erfahrungen, die man mit ihnen gemacht hat. Die Erinnerung an einen Fleck auf einem Stuhl ruft unweigerlich die Geschichte seiner Entstehung hervor. Sie bieten Aufschluss über die Lebenssituation der Bewohnenden und erzählen somit auch vom Beziehungsgefüge zwischen Familienmitgliedern, Haustieren und Gästen, die Teil eines Ortes geworden sind, an dem man nicht für immer bleiben wollte.
Text von Maria Conrad